Administrative Documents from the 19th and 20th Centuries: The Example of the Canton of Zürich

Wenn ein Zürcher Bürger Einsicht in sein Steuerdossier nehmen will, kann er dieses gesetzlich gestützte Recht auf schriftlichem Weg beim kantonalen Steueramt einfordern. Wer sich darüber informieren möchte, warum in den 1940er-Jahren ein Teil des Waffenplatzes Kloten als Standort für den Flughafen Zürich auserkoren wurde, kann dies im Staatsarchiv Zürich tun. In beiden Fällen würde man mit zeitgeschichtlichen staatlichen Verwaltungsakten in Kontakt kommen. 

Doch was unterscheidet Akten typologisch von anderen historischen Quellen? Welcher Bezug besteht zwischen Staatlichkeit und Verwaltungsschriftgut? Soll der Staat für die historische Forschung ein bevorzugtes Objekt der Forschung sein und wenn ja, warum und inwieweit? Warum ist es gerechtfertigt, zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert eine Zäsur anzusetzen, das 19./20. Jahrhundert aber als Einheit aufzufassen und welche Gedanken stehen hinter dieser Periodisierung?

Das nachfolgende Tutorium versucht diese Fragen zu klären und dadurch in die Auswertung und Interpretation eines Quellentyps einzuführen, der für Historikerinnen und Historiker manch spannende Frage beantworten kann und sogar in unserem täglichen Leben eine bedeutende Rolle spielt. Die Ausführungen erfolgen am Beispiel des Kantons Zürich, versuchen aber darüber hinaus möglichst allgemein gültige Aussagen zu formulieren.

Jahresfest des Sri Sivasubramaniar Hindu-Tempels in Adliswil, direkt neben der Sihl.
Bei der Errichtung von Gotteshäusern ebenso wie zur Durchführung traditioneller Riten und Gebräuche müssen religiöse und kulturelle Minderheiten den Kontakt zur Verwaltung suchen. So ist beispielsweise die in Indien übliche öffentliche Verbrennung von Toten in der Schweiz nicht gestattet. Trotzdem fand die hinduistische Gemeinschaft im Dialog mit dem Bestattungsamt der Stadt Zürich eine Lösung, die sowohl den hinduistischen Traditionen als auch den schweizerischen Gesetzen gerecht wurde. Globalisierung trifft auf Nationalstaat - auch darüber berichten Verwaltungsakten, die immer so spannend sind wie die Fragen, die man an sie richtet.

Als sich die Geschichte im 19. Jahrhundert als universitäre Disziplin etablierte, ging sie eine enge Verbindung mit den sich ebenfalls konstituierenden Nationalstaaten ein. Die Politikgeschichte von damals erachtete den Staat als zentralen Akteur und wichtigsten Referenzpunkt geschichtlicher Prozesse. Demgegenüber interpretieren die Kulturwissenschaften des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts den Staat als ein kulturelles Produkt in sozial konstruierten Bedeutungszusammenhängen. Sie betonen die Gefahr einer Überhöhung staatlicher Wirkungsmacht für jede kritisch-wissenschaftliche Historiographie.
Die aktuelle Geschichtsforschung sieht sich freilich nicht nur von ihrem eigenen Erbe herausgefordert, sondern zusätzlich mit gegenläufigen Entwicklungstendenzen konfrontiert. In einer wirtschaftlich globalisierten und soziokulturell heterogenen Welt verliert der Nationalstaat europäischen Zuschnitts einerseits immer mehr seine Konturen und seine Bedeutung als autonome Einheit. Andererseits regelt der moderne Staat gerade im Zusammenhang mit der Globalisierung immer mehr. Seine Verschränkung mit der Wirtschaft und der Gesellschaft nimmt bis heute mitunter eher zu denn ab.
So bleiben staatliche Akten trotz des Drangs weg von einer nationenzentrierten hin zu einer auf globale kulturelle Austauschprozesse fokussierenden Geschichte nach wie vor unabdingbare und aussagekräftige Quellenbestände, weil nahezu alles, was gesellschaftsrelevant ist, irgendwann auch den Weg durch die Instanzen staatlicher Verwaltungen antritt und auf der Agenda der Regierungen auftaucht.

Die kriegerische, aber auch reformfreudige Zeit der Helvetik (1798–1803) wird in der schweizerischen Erinnerungskultur oft ausgeblendet.
Bild: Bataille de Zurich, gagnée par le Général Massena, le 25 Septembre 1799. Öl auf Leinwand, von François Bouchot (1837).

Während im kollektiven Gedächtnis der Schweizerinnen und Schweizer die Bundesstaatsgründung von 1848 einen hohen Stellenwert einnimmt, ist das Sensorium für die Bedeutung der politischen Umwälzungen auf kantonaler Ebene eher gering. Doch in der Zeit der Helvetik, Mediation, Restauration und Regeneration fand in den alten Untertanengebieten und in den alten eidgenössischen Stadtstaaten wie Zürich eine für die spätere Ausgestaltung des Bundesstaates wegweisende Neuverteilung der Machtverhältnisse statt.
So ging mit der ersten helvetischen Verfassung von 1798, welche die Kantone zu reinen Verwaltungseinheiten herabstufte, die langjährige Herrschaft der Stadt Zürich über die Landschaft zu Ende. Die fünf Jahre später eingeführte Mediationsverfassung doppelte diesbezüglich nach und führte zur definitiven Trennung von kantonaler und städtischer Regierung. Zudem schuf sie Bezirke als neue, einander gleichgestellte Verwaltungseinheiten.
Obwohl die Beteiligung an Wahlen in den Grossen Rat nach wie vor Männern mit einem gewissen Vermögen vorbehalten war (Zensuswahl), kann das Jahr 1803 in vielerlei Hinsicht als Geburtsstunde des heutigen Kantons Zürich angesehen werden, denn die alte Stadtrepublik Zürich gehörte nun der Vergangenheit an. Der Transformationsprozess hin zu einem Staatswesen mit einer einheitlichen kantonalen Gesetzgebung und Verwaltungsstruktur war eingeleitet worden, auch wenn nach 1815 in Zürich – gleich wie in vielen anderen alten Stadtstaaten der Eidgenossenschaft – die restaurativen Kräfte versuchten, die alte Ordnung wieder herzustellen.

Ein zentrales Ereignis für die Ausarbeitung der ersten liberalen Verfassung des Kantons Zürich war der sogenannte Ustertag (22. November 1830). Mehrere tausend Leute versammelten sich in Uster und forderten in einem Memoriale eine neue Verfassung, welche die Gleichstellung von Stadt und Land garantieren sollte.
Farblithographie von Honegger in Zürich,
ZB Graphische Sammlung, Geschichte 1830 Ustertag I, 1.

Im Gefolge des in vielen Ländern Europas mit Unruhen verbundenen Jahrs 1830 setzten sich im Kanton Zürich die Liberalen unblutig als neue politische Führungsschicht durch. Die 1831 in der ersten kantonalen Volksabstimmung mit überwältigendem Mehr angenommene liberale Verfassung machte Zürich zu einer Demokratie modernen Zuschnitts, insofern als der Staat fortan nebst dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht für Männer auch elementare Grundrechte (Freiheit der Person, des Glaubens, des Handels und Gewerbes sowie der Presse) garantierte. Ebenso verhalf die neue Rechtsordnung der Gewaltentrennung sowie dem Öffentlichkeitsprinzip zum Durchbruch.
1869 wurde per Volksabstimmung nochmals eine neue Verfassung angenommen, die sich durch stärkere und direktere demokratische Mitspracherechte auszeichnete. Die neue Verfassung blieb ganze 136 Jahre in Kraft, auch wenn sie natürlich beständig Ergänzungen oder partielle Revisionen erfuhr. Selbst die heute gültige, 2005 angenommene Verfassung brachte keine substantiellen inhaltlichen Änderungen, sondern war vielmehr vom Gedanken getragen, den durch die unzähligen Teilreformen unübersichtlich gewordenen Verfassungstext zu einem neuen, besser überschaubaren Ganzen umzugestalten.

Nicht zufällig trifft man im Archivplan immer wieder auf wichtige Jahreszahlen der politischen Geschichte des Kantons Zürich.

An dieser Stelle mag man sich die Frage stellen, warum die auf den letzten Seiten geschilderten verfassungsgeschichtlichen Informationen für die Archivarbeit überhaupt von Bedeutung sein sollen. Dafür sind drei Argumente zu nennen.
Erstens finden politische Reformen einen relativ starken Widerhall in archivtektonischen Bruchlinien. Ein paar Klicks im Online-Katalog genügen, und die Jahreszahlen der erwähnten politischen Zäsuren (1798, 1803, 1830er Jahre, 1869) springen einem ins Auge. Nur erweisen sie sich in der Praxis selten als scharfe Grenzen. Gerade wer thematisch im Bereich der Sattelzeit oder des langen 19. Jahrhunderts arbeitet, muss bei der Quellensuche oft sowohl in den Akten des Alten Hauptarchivs (A–C) oder der Alten Nebenarchive (D–J) wie auch in den Beständen des Neueren Archivs (K bis Y) oder sogar im laufend wachsenden Provenienzarchiv suchen.
Zweitens gehen konstitutionelle Umbrüche meistens einher mit einer Umgestaltung der behördlichen Strukturen. Gerade bei der Suche nach Verwaltungsakten ist daher eine profunde Kenntnis institutioneller Reorganisationen und wandelnder Zuständigkeiten unabdingbar. Wer im Archiv nicht weiss, welche Abteilung innerhalb der Verwaltung zu welchem Zeitpunkt für die Abwicklung welcher Geschäfte zuständig war, wird die für die Fragestellung relevanten Quellen nur schwer finden.
Drittens setzte mit dem skizzierten Wandel von Staatlichkeit im 19. Jahrhundert der Übergang vom Nachtwächter- zum modernen Leistungsstaat ein. Diese Entwicklung war verbunden mit einem quantitativen Ausbau des Verwaltungsapparats und einem verstärkten innerbehördlichen Informationsaustausch. Hinzu kam wegen der Verankerung des Öffentlichkeitsprinzips in der Verfassung ein Zwang zur Verschriftlichung aller juristisch relevanten Behördenentscheide. Beides bewirkte ein sprunghaftes Ansteigen der Produktion von Verwaltungsakten.

Das erste Zürcher Kantonsspital wurde in den späten 1830er-Jahren errichtet. Von den ursprünglichen Gebäuden auf dem Gelände des heutigen Unispitals ist allerdings nur der Anatomietrakt (im Bild oben rechts) erhalten geblieben. Er wird heute als Schulungsraum genutzt.
Staatsarchiv Zürich, PLAN E 315: Kantonsspital Zürich-Fluntern, ca. 1836.

Dass staatliches Handeln für Neuzeit-Historikerinnen und -Historiker in zunehmender Dichte und Ausführlichkeit in den Verwaltungsakten nachlesbar ist, bezeugt auch die ursprünglich aus Juristenkreisen stammende Redewendung «Quod non est in actis, non est in mundo». Selbstverständlich werfen andere Quellensorten ebenfalls erhellende Schlaglichter auf politische, ökonomische, soziale und kulturelle Entwicklungen des nationalstaatlich organisierten Europas des 19./20. Jahrhunderts. Aber die Verwaltungsakten stellen wegen ihrer Masse wie auch wegen ihres klar geregelten Entstehungsprozesses gleichsam eine Art Königsquellen dar.
Auch wenn es aus unserem heutigen politischen Vorverständnis paradox anmutet – gerade das neue liberale Staatsgebilde sorgte in Zürich wie auch anderswo für eine beispiellose Intensivierung staatlicher Aktivitäten. Davon zeugen die Errichtung einer Universität (1833), der Bau eines Kantonsspitals (1835–1842) oder das neue Strassenbaugesetz (1833), um nur einige Beispiele aktenkundiger Themen fernab der politischen Geschichte zu nennen.

Die Akte (unten) zur Akte (oben).
Im Staatsarchiv Zürich lagert nebst einem gedruckten Exemplar der Mediationsakte (als autonomes, rechtsetzendes Dokument) auch eine Akte (als Sammlung behördlicher Unterlagen) zum Entstehungsprozess der Mediationsakte.
Staatsarchiv Zürich, L 23.1: Frankreich: Allgemeines, 1803/04

Trotz der steigenden Bedeutung des Aktenwesens etablierte sich die Aktenkunde im Gegensatz zur Diplomatik erst relativ spät als eigene Historische Hilfswissenschaft, nämlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dies lag daran, dass das Verständnis dieser relativ zeitnah produzierten Quellenstücke innerhalb der Geschichtswissenschaft als selbstverständlich erschien.
Bei genauem Hinsehen ist das indes nicht der Fall; schon die Definition des Begriffs 'Akte' untermauert die Komplexität des Quellentyps. Menne-Haritz versteht unter 'Akte' eine «Zusammenfassung aller Unterlagen, die in der Erledigung einer Aufgabe entstehen und für ihre Fortführung benötigt werden und die in der Reihenfolge ihrer Entstehung in einem Hefter oder Ordner abgelegt sind. Dazu gehört internes Schriftgut wie Aktenvermerke, Verfügungen und Konzepte oder Durchschläge mit Absendevermerken von Ausgängen sowie externes Schriftgut wie fremde Ausfertigungen mit Eingangsvermerken. [Die Akte] entsteht als Arbeitsinstrument in der Verwaltungsarbeit und macht anschliessend die Abläufe und Ereignisse, die zu ihrer Entstehung führten, evident.»
Die Akte (Singular) bezeichnet also einen Bestand von Akten (Plural). Diese Verwendungsweise ist zwingend von der aus dem englischen Sprachgebrauch übernommenen Bedeutung von 'Akte' für ein einzelnes Schriftstück mit Urkundencharakter (z. B. die Stamp Act von 1765 oder die Schlussakte der Neunmächtekonferenz von 1954) zu unterscheiden. Kennzeichen von Verwaltungsakten ist gerade die Kontextualität jedes Einzelstücks; man braucht daher immer mehrere Akten beziehungsweise eine ganze Akte, um historische Zusammenhänge erkennen zu können, während das einzelne Dokument für sich genommen – im Gegensatz zur Urkunde – nur unvollständig zu uns spricht.

Der Prozess der Aktenbildung am Beispiel der Einbürgerungsakte von Albert Einstein: Alle enthaltenen Schriftstücke sowie die zuständigen Einleger sind auf dem Umschlag verzeichnet.
Staatsarchiv Zürich, N 14.12: Landrecht, Bürgerrechts- und Landrechtserteilungen - Verweigerungen, Bezirk Zürich: Stadt, 1901, No. 12-186

Bei der Auswertung und Interpretation von Akten darf die ursprüngliche Funktion als Verwaltungswerkzeug nie ausser Acht gelassen werden. Diese Funktion erklärt sowohl den nur im Bezug auf weitere Aktenstücke verständlichen Inhalt wie auch die vom verwaltungsinternen Geschäftsgang vorgezeichneten formalen Spezifika der Quellengattung.
Die bei anderen Schriftquellen elementare Frage nach dem Autor, seinen Intentionen und Meinungen tritt bei der quellenkritischen Auseinandersetzung mit Akten zurück. Zentraler ist die Frage nach dem Prozess, den ein Schriftstück bis zur Ausfertigung durchlaufen hat. Der methodisch geleiteten Entschlüsselung solcher prozessualer Zusammenhänge widmet sich die sogenannte genetische Aktenkunde. Sie erforscht die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Aktenstücks und interessiert sich vor allem dafür, welche Verwaltungsstelle oder welches Behördenmitglied wann und in welchem Umfang an dessen Bearbeitung beteiligt war. Die systematische Aktenkunde demgegenüber wählt einen typologischen Zugang, indem sie bestimmt, welche Art eines Aktenschriftstücks vorliegt, wobei äusserlich-formale Aspekte, inhaltliche Überlegungen oder funktionale Gesichtspunkte als Einteilungskriterien beigezogen werden können.

Streichungen sowie Ergänzungen sind oft als Marginalien angebracht und ein typisches Kennzeichen für einen Entwurf.
Staatsarchiv Zürich, O 13.1: Landwirtschaftliche Lehrkurse und Fortbildungs-Schulen, 1859–1887

Die quellenkundlichen Schwerpunkte der genetischen Aktenkunde versteht man am besten, wenn man sich den Entstehungsprozess eines konkreten Aktenschriftstücks vor Augen führt.
Wenn bei einer Verwaltungsinstanz ein Schreiben – der sogenannte Eingang – ankam, war es bis ins 18. Jahrhundert als erster Schritt üblich, dass der verantwortliche Leiter der Abteilung eine sogenannte Angabe erstellte. Sie hielt stichwortartig fest, wie auf das Schreiben zu reagieren sei. Solche Angaben wurden im 19. Jahrhundert zunehmend seltener, so dass man in neueren Verwaltungsakten nur noch Entwürfe vorfindet.
Beim Entwurf handelt es sich um ein ausformuliertes Konzept, das als Vorstufe der Reinschrift allen beteiligten Personen vorgelegt wird. Im Laufe dieses Prozesses wird der Entwurf mit vielerlei Vermerken (meist als Marginalien angebracht) versehen, aus denen wir ziemlich differenziert ablesen können, wer das Dokument in welcher Funktion erstellt, verändert oder gebilligt hat. Wichtig ist hierbei die Zuordnung der sogenannten Paraphen zu den verantwortlichen Personen sowie die Kenntnis der von Verwaltungen verwendeten Abkürzungen wie beispielsweise conc[epit] als Konzipierungsvermerk, w[ieder] v[orlegen] als Weisungsvermerk oder m[un]d[ier]t als Fertigungsvermerk. Hilfreich bei dieser Aufschlüsselungsarbeit ist das Büchlein «Gebräuchliche Abkürzungen des 16.–20. Jahrhunderts» von Dülfer/Korn oder der «Schlüssel zu alten und neuen Abkürzungen» von Grun.

«A Brave New World» – zeitgenössische Karikatur auf den Völkerbundsrat von Alois Derso und Emery Kelen.
Die Materialität von Verwaltungsquellen ist dem technischen Wandel unterworfen; dem müssen die Methoden der Auswertung Rechnung tragen. Das Bild zeigt, dass die zunehmende Technisierung der Verwaltungsstrukturen schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Thema war.

Nachdem der Entwurf den sukzessiven Gang durch die Hierarchie der Behörde bis zum entscheidungsbefugten Beamten genommen und dieser das Konzept mit dem sogenannten Mundierungsstrich gebilligt hat, wird demselben eine Reinschrift zur Unterzeichnung vorgelegt. Sobald diese abgeschickt worden ist, bezeichnet man sie als Ausfertigung; gleichzeitig werden Eingang und Konzept im wahrsten Sinne des Wortes zu den Akten gelegt.
Mit der Einführung der Schreibmaschine in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vor allem mit der elektronischen Informationsverarbeitung in den letzten Jahrzehnten ist das Vorhandensein eines kontinuierlich überarbeiteten Entwurfs nicht mehr selbstverständlich. Immer häufiger findet man stattdessen in jüngeren Akten nur noch einen Durchschlag oder eine Kopie der Reinschrift vor.


Die Findmittelbücher des Staatsarchivs Zürich
Nicht immer findet man dort, wo man als erstes sucht.
Bei der Quellensuche im Archiv ist stets darauf zu achten, dass man die gesamte Breite der Findmittel zur Kenntnis nimmt und sich Gedanken über deren Ordnungsprinzipien macht.

Während bei der genetischen Aktenkunde die vertikale Struktur einer Behörde im Zentrum steht, müssen bei der Suche nach Akten die horizontalen Verwaltungsstrukturen im Auge behalten werden. Jede Verwaltungseinheit weist informelle Schnittstellen zu anderen Verwaltungsstellen, Departementen oder Direktionen auf; bisweilen existieren sogar sich überschneidende Entscheidungskompetenzen.
In vielen Fällen enthalten die Aktenschriftstücke selbst solche wertvollen Hinweise auf zusätzliche Quellenbestände, denen man dann nur noch nachzugehen braucht. Wer sich beispielsweise im Staatsarchiv Zürich über den Strassenbau der 1830er-Jahre informieren will, wird vermutlich zuerst einmal Bestände der Signatur «V III, Tiefbauamt» in den Lesesaal bestellen. Innerhalb dieser Akten finden sich dann Hinweise darauf, dass zum Strassenbau auch Straftäter und Arbeitslose herangezogen wurden. Aufmerksame Leserinnen und Leser werden daher im Rahmen einer zweiten, verfeinerten Suche auch ausgewählte Aktenbestände der Signatur «N Inneres und Fürsorge» einsehen wollen oder sich für den Bereich «R Finanzen» interessieren, wo sich die schlagartig zunehmende Bedeutung des Strassenbaus schön ablesen lässt.
Besonders in modernen, nach dem Provenienzprinzip organisierten Archiven sind Überlegungen zu verwaltungsinternen Abläufen und Entscheidungsbefugnissen zentral, da diese Archive die Verwaltungsstruktur abbilden.


Im Archiv, bei mir zuhause ...

Regierungs- und Kantonsratsentscheide ab 1803 werden momentan nicht nur digitalisiert, sondern auch transkribiert. Wichtige Vorarbeiten für die Archivrecherche lassen sich so bequem via Internet erledigen.

Fast alle grösseren Archive bieten heute eine online zugängliche Suchmaske oder wenigstens digitalisierte Versionen ausgewählter Findmittel, so dass man sich bereits vor dem Gang ins Archiv überlegen kann, von welchen Departementen oder Verwaltungseinheiten man gerne Akten einsehen würde.
Das Staatsarchiv Zürich bietet für die Suche nach neueren Verwaltungsakten seit kurzem eine zusätzliche Möglichkeit an. Es digitalisiert momentan sämtliche Kantons- und Regierungsratsbeschlüsse ab 1803 und stellt deren Transkriptionen online. Mittels Volltextsuche kann man sich somit bereits von zuhause aus ein Bild interessanter Sachentscheide der beiden höchsten Regierungsgremien machen.
Der bequeme Zugriff auf diesen wichtigen Quellenbestand erspart freilich nicht den Gang ins Archiv, denn an den Kantons- und Regierungsratsentscheiden lässt sich nur der faktische Beschluss ablesen, nicht aber der für Historikerinnen und Historiker spannende Prozess der verwaltungsinternen Entscheidungsfindung. Regierungs- und Kantonsrat bilden gleichsam das Rückgrat, wo alle Informationen zusammenlaufen, aber dessen Studium macht erst Sinn bei gleichzeitiger Berücksichtigung seiner neuronalen Vernetzung mit dem Körper respektive der Verwaltung, die im konkreten Fall handelt und umsetzt.