Familiennamen (FamN) gehören mit den Rufnamen (RufN), den Spitz- oder Kosenamen zur Namenklasse der Anthroponyme. Diese Namenklasse ist unmittelbar mit der menschlichen Kultur verbunden: Keine bekannte Gesellschaft verzichtet auf diese Eigennamen. In vielen Ländern Europas ist es üblich, zwei Namen zu tragen, einen sog. Ruf- oder Vornamen und einen Familien- oder Nachnamen. Daneben gibt es auch einnamige Gesellschaften wie das Isländische, wo zur Bezeichnung einer Person der RufN genügt (etwa Ingibjörg oder Ingimar), oder dreinamige Kulturen wie das Russische (vgl. etwa Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij), wo der Gesamtname aus einem Ruf-, Mittel- und Familiennamen besteht.

Historisch gesehen ist der Rufname der ältere Bestandteil, der im deutschsprachigen Kulturkreis in den germanischen Rufnamen wie Theoderich, Karl, Gerlind oder Hilta die ältesten Vertreter hat. Auch noch nach der Erweiterung des RufN durch einen zweiten Namen war der RufN wichtiger. So wurden Familiennamen im Vergleich zu den RufN länger klein geschrieben und Personenverzeichnisse bis ins 18. Jh. nach den RufN geordnet.

Das Familiennamenbuch der Schweiz verzeichnet diejenigen FamN, deren Träger vor 1800 das Bürgerrecht einer Schweizer Gemeinde besassen und bis 1962 in dieser Gemeinde noch nicht ausgestorben waren. Die beigefügten Karten beziehen sich auf diesen Namenbestand und zeigen dementsprechend nicht das heutige Verbreitungsgebiet an, sondern die Gebiete, wo die jeweiligen Namen um 1800 vorkommen.

Urkunde aus dem Zürcher Staatsarchiv StAZH C II 10, Nr. 1 recto, datiert auf 1149 (Druck: Zürcher Urkundenbuch; ZUB 1, Nr. 292): In dieser Urkunde wurden BeiN später, aber noch von gleicher Hand nachgetragen (vgl. Baumgartner 1983, 2921, 2922, und 319).

Transkription:
Tesſteſ autem hi affuerunt quorum nomina ſubſcripta ſunt: Otto [de nouo foro], Ǒdalric [chasteloſe] Rǒdolfi [de armenſe] Purchart [albuſ] Purchart [niger] et filiuſ eius Rǒdolf. Heinric et frater eius Fridericuſ [filii Tieterici] Rǒdolf. et frater eius Ǒdalric [filii adelheidiſ] usw.

In der schriftlichen Überlieferung des Mittelalters ist die Verwendung eines zweiten Namens neben dem RufN im deutschsprachigen Raum ab ca. 1000 bezeugt. In den folgenden 170 Jahren hat sich der Zweitname schliesslich etabliert. In Zürcher Urkunden um 1170 ist die Mehrheit der genannten Personen mit einem Ruf- und einem sogenannten Beinamen (BeiN) verzeichnet. Bei dieser Entwicklung sind aber geographische und soziologische Aspekte zu berücksichtigen: Zuerst traten FamN in süd- und westdeutschen Städten auf, von wo aus sie sich nach Norden und Osten ausbreiteten. Unterschiede gab es zudem zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sowie zwischen Adligen und tieferen sozialen Klassen. Während erstere den Gebrauch von Familiennamen initiierten, nahmen letztere diesen Usus erst später auf.
Verschiedene historische und gesellschaftliche Faktoren begünstigten die Tendenz zur Zweinamigkeit seit dem ausgehenden Frühmittelalter. Einerseits nahm der reiche Bestand an germ. RufN ab. Von germ. RufN, die mit dem Erstglied Ber(h)t- gebildet sind, wie beispielsweise Berhtdrut, Berhtflat, Berhtgart, Berhtswind bleibt nur Berhtold (mit Varianten) übrig. Andererseits wurde die Nachbenennung nach dem Vater, der Mutter oder anderen wichtigen Personen üblich. Dies führte auch zur Ausbildung sog. Leitnamen bei adligen Geschlechtern, wie Ludwig bei den Karolingern.
Die Abnahme der Namenvielfalt und der Brauch der Nachbenennung hatten zur Folge, dass immer mehr Personen denselben Rufnamen trugen, sodass eine zusätzliche Kennzeichnung der Person erforderlich wurde. Zu den beliebtesten männlichen und weiblichen Rufnamen des MA gehören Hermann, Heinrich, Konrad sowie Adelheid, Mechthildund Gertrud. Beinamen können mit Verbindungswörtern explizit als solche gekennzeichnet sein: i) mit Artikel (Jacob der Hase), ii) mit einer Präposition (Goeswi von Rebsten), iii) mit dictus, genannt, heisset (Iacobus heisset Müller).

Ausschnitt aus einer Königsfelder Urkunde vom 12.01.1417, StAAG U.17/0506 hier ab Zeile 13.

Transliteration:
(13) an disen brief im selber und sinen erben aneschaden | des ich ietzgenannter wernher moser mich also min insigel von ir bett wegen vergiche haben ge- /(14) henkt an disen brief | der geben ist uff sant hylaryen abend anno domini millesimo quadragesi(mo) xvii (mo) hie bywarend Hans Beck | Cueni Karer /(15) Ueli Smid von Mulinon | Hans in der schur | Hans im hof und Heini Stelli etc pp

Bei- bzw. Familiennamen im Ausschnitt:
Moser Wohnstättenname zu mhd. mos 'Sumpf, Moor'; daraus entwickelte FamN: Moser, Moos, Mosimann, von Moos, Amoos, Zmoos
Beck Berufsbezeichnung zu mhd. becker 'Bäcker'; daraus entwickelte FamN: Beck, Bek, Bekk, Becker
Karer Berufsname zu mhd. karre 'Karre, Kutsche' für den Karrenführer; daraus entwickelter FamN: Karrer
Smid Berufsbezeichnung zu mhd. smit 'Metallarbeiter, Schmied'; daraus entwickelte FamN: Schmid, Schmed, Schmedt, Schmidt, Schmied, Schmit, Schmitt
von Mulinon Wohnstättenname zu mhd. müle 'Mühle' in einer Dativ Pluralform
in der Schur Wohnstättenname zu mhd. schiure, schiur'Scheune'; daraus entwickelte FamN: Scheurer, Schür, Scheu(e)rmann, Schürmann
im Hof Wohnstättenname zu mhd. hove 'Hof'; daraus entwickelte FamN: Imhof, Imhoof, Imhoff, Imhooff, Im Hof
Stelli Wohnstättenname zu mhd. stelle 'Stelle; Platz'; daraus entwickelter FamN: Stelli

Beinamen (BeiN) unterscheiden sich von Familiennamen (FamN) primär dadurch, dass sie nicht vererbt werden. Ein zweiter Unterschied liegt in der Motivation: Beinamen bestimmte Eigenschaften des Namensträgers. Dadurch sind sie individuell, und i.d.R. tragen Geschwister nicht denselben Beinamen. Wenn jemand 1285 als «Lütold der junge von Regensberg» urkundet, können wir für diesen Lütold zwei Eigenschaften annehmen: Er ist der Jüngere neben einem Älteren (Vater oder Bruder) und er stammt aus Regensberg. Beinamen können wie hier mehrere Eigenschaften umfassen und sich im Laufe des Lebens ändern.
Ob in einer Urkunde ein Bei- oder bereits ein FamN vorliegt, ist oft nicht zu entscheiden. Hinweise, dass ein FamN vorliegt, sind: (i) Ein Name wird über mehrere Generationen beibehalten; (ii) Geschwister tragen denselben Namen; (iii) FamN passen inhaltlich meist nicht mehr zur Person: Wenn ein Schuster (= lat. sūtor) Gartner heisst wie «Wernherus dictus Gartner sutor» liegt ein FamN vor. Aufgrund der Entstehungsmotive können Bei- und Familiennamen in fünf Gruppen eingeteilt werden, wobei viele Namen mehrdeutig sind, also mehr als einer Gruppe zugeordnet werden können.

  • Rufname: Balthasar, Heinrich, Konrad, Annen
  • Berufsname: Meier, Müller, Schmid, Brönnimann
  • Wohnstättenname: Brönnimann, Moser, Rebsten
  • Herkunftsname: Aeschbach(er), Regensberg, Soltermann
  • Übername: Bickel, Gröbli, Herzog, Kienast, Langmesser
Deutschschweizer Familiennamen, die sich aus dem RufN Jakob entwickelt haben.

Das Motiv der Namen dieser Gruppe gründet in einem verwandtschaftlichen Verhältnis. Die Beziehung zu einer anderen wichtigen Person wird betont; meist ist dies der Vater (= Patronyme), seltener die Mutter (= Metronyme), ein anderer Verwandter oder der Dienstherr. Diese Familiennamen enthalten als sprachliches Material primär männliche oder weibliche Rufnamen. Die Ausgangskonstruktion ist in Familiennamen vom Typ Peterson 'Peters Sohn' oder Svensson'Svens Sohn', wie sie in Norddeutschland und Skandinavien verbreitet sind, noch am besten erhalten.
In der Schweiz begegnen Namen wie Heinis (Genitiv zum RufN Heini), Hux (Genitiv zum RufN Hugo) oder Roten, Rothen (Genitiv zum FamN Rot(h)), die aus einer Konstruktion «Sohn/filius+RufN des Vaters im Genitiv (-s bzw. -en)» entstanden sind. Wenn die Genitivendung entfällt, entstehen FamN wie Aeberhard, Ott, Peter oder Balz, die formal dem blanken Rufnamen entsprechen. Die Nachbenennung nach der Mutter ist marginal, daher sind Metronyme zahlenmässig selten wie z.B. Agten aus Agatha, Annen aus Anna, Barbenaus Barbara, Annasohn aus Anna, Estermann aus Ester, Ittensohn aus Ita jeweils als 'Sohn der Agatha etc.'.
FamN wie Roten, Wirz (Genitiv zu mhd. wirt 'Ehemann, Landesherr; Gastwirt') oder Wittwen bilden eine Untergruppe. Sie werden auch als sekundäre Rufnamen bezeichnet, da hier die Nachbenennung nicht nach dem RufN, sondern dem Beruf oder einer anderen Eigenschaft des Vaters oder der Mutter erfolgt ist. Neben den germanischen RufN werden durch die Christianisierung auch lat., griech. und hebr. Rufnamen ins Deutsche entlehnt wie bspw. Jakób. Bei der Integration konnte die fremde Betonung auf der zweiten oder dritten Silbe bewahrt bleiben, oft mit Tilgung der ersten Silbe wie in Kobi, Kobel etc. Die Betonung konnte aber auch auf die erste Silbe verlegt werden, meist mit Reduktion der folgenden Silben wie in Jeck. Neben der lautlichen Anpassung wurden die Namen auch mit deutschen Suffixen abgeleitet, z. B. mit dem Diminutivsuffix -i oder -li, um Koseformen zu bilden wie in Jäggi oder Jaggi.

Durch unterschiedliche Integration – je nach Betonung und Ableitungssuffix – haben sich verschiedene Formen ein- und desselben Namens entwickelt:
(i) unterschiedliche Endungen: -el, -elt, -er, -in, -i, -lin, -li, -let
(ii) unterschiedliche Realisierungen des Haupttonvokals: <a, ä, ae, e, o>

Familiennamen für den Beruf bzw. den Stand des Bauern.

Während die FamN Baumann (zu mhd. bûman 'Bauer, Pächter eines Bauerngutes') und Lehmann (zu mhd. lêhenman'Inhaber eines Lehens') breit gestreut vorkommen, treten die kartierten FamN räumlich begrenzt auf:

Schoch (grün) zu mhd. schoche 'aufgeschichteter Haufen Heu, Heuschober'
Wettstein (blau) zu mhd. wetz(e)stein 'Wetz-, Schleifstein'
Schaub (rot) zu mhd. schoub 'Strohbündel, Strohwisch'
Achermann(dunkelgrün) zu mhd. ackerman 'Bauer, der pflügt'
Scheurer(violett) zu mhd. schiure, schiur 'Scheuer, Scheune'
Riebli (orange) entrundet zu Rüebli für den (Karotten-) Bauern
Feldmann(türkis) zu mhd. veltman 'Landmann'
Bumann (pink) zu mhd. bûman 'Bauer, Pächter eines Bauerngutes'

 

Das Motiv, welches den Namen dieser Gruppe zugrunde liegt, ist der Beruf oder eine Tätigkeit, welche die benannte Person ausübte. Häufige Familiennamen im deutschsprachigen Raum wie Baumann zu mhd. bûman 'Bauer, Pächter eines Bauerngutes', Keller aus mhd. këllære, këller 'Kellermeister, Verwalter der Weinberge und Weingülten', Meier aus mhd. meier, meiger 'Gutsverwalter, der im Auftrag des Grundherrn die Aufsicht über die Bewirtschaftung der Güter führt', Mülleroder Schmid gehören zu diesem Typ, aber auch seltenere wie Binder für den Fassbinder oder Neiger zu mhd. næjer für den Näher.
Diese Gruppe reflektiert die sehr ausdifferenzierte Arbeitsteilung in der frühen Neuzeit. Als Basis können im Prinzip alle Berufsbezeichnungen dienen, die während der Bildungszeit der FamN existierten. Die meisten dieser Tätigkeiten sind heute nicht mehr als Berufe bekannt, wie Thormann für den Bewacher eines Stadttores oder Besmer für den Besenbinder, der auf das Herstellen von Fegebesen aus Birkenreisig spezialisiert war.
Neben den sogenannten direkten gibt es noch indirekte Berufsnamen. Während die erste Gruppe direkt auf eine Berufsbezeichnung zurückgeführt werden kann, wie Gerberfür den Handwerker, der aus rohen Tierhäuten Leder herstellt, werden letztere nach einem Material, einem Werkzeug oder einem Produkt benannt, so z.B. Brodmann für den Bäcker, Bickel für eine Person, die häufiger Arbeiten mit einer Spitzhacke o.ä. verrichtete, Hafner für den Topfhersteller. Diese Untergruppe bildet aufgrund ihrer metonymischen Benennungsmotive einen Mischtyp aus Berufs- und Übernamen, weshalb sie auch als Berufsübernamenbezeichnet werden.

Deutschschweizer Familiennamen, die sich aus Flurnamen entwickelt haben.

Exemplarischer Ausschnitt aus dem Ortsplan der Gemeinde Würenlos (AG); die angegebenen FamN gehören nicht alle zu den entsprechenden Örtlichkeiten in Würenlos. Sie sollen nur veranschaulichen, welche Wohnstättennamen aus solchen Flurnamen bzw. deren Bestandteilen entstanden sind.

Bei den Wohnstättennamen steht als Motiv der Wohnort oder das Wohnhaus im Vordergrund. Benannt werden Personen innerhalb einer Dorfgemeinschaft, indem man Bezug auf die unmittelbare Umwelt nimmt. Als sprachliches Material liegen diesen Namen meist Flurnamen oder Appellative zugrunde, die sich auf die Landschaft einer Region beziehen und dadurch die Geomorphologie eines Gebietes reflektieren:

  • Geländeform: Bühler zu mhd. bühel, büel 'Hügel; kleine bis mittelgrosse Erhebung', Ebner zu Ebene oder Thaler zu Tal; Flühler, Flüeler, Flühmann zu Fluh für eine hervorstehende und jäh abfallende Felswand;
  • Bodenbeschaffenheit: Felder zu mhd. velt 'Feld, Boden, Fläche, Ebene', Steiner zu mhd. stein 'Stein, Fels';
  • Wohnstätten am Wasser: mhd. ouwe 'Wasser; von Wasser umflossenes Land; Insel', Anderau, Anderauer, Au, Auer, Ausderau, Aus der Au. Weitere Hinweise auf einen Wohnort am Wasser geben FamN, die mit dem häufigsten deutschen Gewässerwort Bach gebildet sind: Bächler, Bechler, Bacher, Bachmann und Bächli.

Daneben konnten auch aus Hofnamen FamN gebildet werden: Althausen > Althaus. Im städtischen Bereich konnten aus Häusernamen FamN entstehen: Die Tierbezeichnung Strauss (mhd. strûʒ) fand früh in der Häusernamengebung Verwendung, von wo aus der Name auf die Bewohner übergehen konnte. Die Anfänge der Wohnstättennamen finden wir beim Adel, der damit auf den jeweiligen Stammsitz Bezug nimmt: von Habsburg bezieht sich auf die gleichnamige Burg im Aargau.

Ein ähnliches Verfahren benutzten Patrizierfamilien, wenn sie ihren FamN noch mit dem Namen eines erworbenen Besitzes erweiterten wie Mayr von Baldegg oder Schnyder von Wartensee (beide LU). Wohnstättennamen bildeten sich häufig in ländlichen Gebieten aus, wo sie heute noch vorherrschend sind. Wo Einzelhofsiedlungen überwiegen, ist die Verortung über den Wohnort häufiger anzutreffen als im städtischen Umfeld. 

Familiennamen, die die Herkunft der ersten Namenträger konservieren.

Verschiedene Herkunftsnamen um 1800 zu acht Schweizer Orten; anhand solcher Namen können Wanderbewegungen der frühen Neuzeit nachgezeichnet werden. Die Entfernung vom jeweiligen Auszugsort zeigt, dass der Auswanderungsradius zwischen 3 (Gattiker in Rüschlikon) und 158 km (Elmer in Augst) betragen kann.

Herkunftsnamen lassen auf Herkunftsort oder -land bzw. Herkunftsgegend schliessen. Im Unterschied zu den Wohnstättennamen wird nicht der Einheimische, sondern der Zugezogene benannt. Motiv ist dabei das fremde Element. Als Basis dienen:

  • Ethnonyme: Allemann, Alemann, Allimann'Alemanne'; Hess 'Hesse'; Peyer, Baier, Bayer, Beier, Peier 'Bayer'; Dürig, Düring, Düringer, Thüring'Thüringer';
  • Landschaftsnamen: Appenzeller < Appenzell; Glarner< Glarus; Toggenburger, Toggenburg < Toggenburg; am häufigsten jedoch
  • Ableitungen von Ortsnamen: Bigler < Biglen (BE), Gattiker < Gattikon (ZH), Gsponer < Gspon (VS). Man findet in Schweizer FamN auch zahlreiche Reflexe der -ikon-Orte: Bälliger < Bellikon (AG), Dietiker < Dietikon(ZH), Kölliker < Kölliken (AG) und auch der -i(n)gen-Orte: Beringer < Beringen (SH), Erzinger < Erzingen(D), Oppliger < Oppligen (BE), Wermelinger < Wermelingen (LU). Daneben sind auch die Namen grösserer in- und ausländischer Orte in die FamN eingegangen: Basler < Basel, Berner < Bern, Schaffhauser und Schaffhuser < Schaffhausen, Soltermann 'Mann aus Solothurn', Zürcher < Zürichsowie Augsburger, Augstburger < Augsburg, Bamberger < Bamberg.

Da bestimmte Wörter sowohl in Flur- als auch in Ortsnamen vorkommen, sind Wohnstätten- und Herkunftsname manchmal nicht eindeutig voneinander zu trennen: Jemand heisst Elmer, weil er aus einem Ort namens Elm (GL) zugezogen ist, oder aber auch, weil er an einem solchen Ort wohnte. Generell ist bei einem Ortsnamen eher auf Herkunft, bei einem Flurnamen als Bestimmungswort eher auf eine Wohnstätte zu schliessen. Herkunftsnamen sind interessant für die Migrationsforschung, denn sie geben indirekt Auskunft über die Wanderbewegungen in der frühen Neuzeit.

Familiennamen, die auf Besonderheiten des menschlichen Körpers zurückgehen.

Während Übernamen wie Kurz, Lang, Gross oder Klein überall auftreten, kommen folgende FamN um 1800 räumlich gruppiert vor:

Köpfli (AG) Diminutiv zu mhd. kopf für eine auffällige Kopfform
Haupt (ZH) mhd. houbet, houpt für eine auffällige Kopfform
Zaugg (BE) mhd. zaugg 'Schnabel eines Gefässes' wohl für eine Auffälligkeit im Gesicht einer Person
Zahnd (BE/FR) auffällige Zähne
Nüssle, Nüssli, Nussli (SG/ZH) kleine, rundliche Körpergestalt
Dick (SO/BE) füllige Körpergestalt
Kleiner (SO/BE) schmächtige Körpergestalt
Knobel (GL/SZ) gefühllose, schwerfällige Person

Bei den Übernamen können verschiedene Motive namengebend gewesen sein. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie auf körperliche, charakterliche oder biographische Eigenschaften des Benannten Bezug nehmen. So gehören in diese Klasse Namen, die auf eine Farbbezeichnungzurückgehen: Wyss, Wyssmann, Wissmann zu mhd. wîz'glänzend, weiss' nach der hellen Haar- oder Hautfarbe des ersten Namenträgers. Umgekehrt verweisen Moor, Mohr zu mhd. môr 'Mohr, Schwarzer' oder Schwarz, Schwarzmann auf die dunkle Haut-, Haar- oder Augenfarbe einer Person.
Auf den Charakter beziehen sich Namen wie Süess, Süss mit der älteren Bedeutung 'angenehm, freundlich', Stierlin nach den Charaktereigenschaften eines Stiers etwa 'stark, mutig', aber auch 'störrisch'.
Auf ein biographisches Ereignis lassen Namen schliessen, die auf Jahres-, Wochen- oder Monatsdaten beruhen, wie Freitag, Freytag, Herbst, Mai oder auch Gujer, Guyer zu spätmhd. guot jâr 'Neujahr, Neujahrsgeschenk'. Der erste Namenträger musste zu diesem Zeitpunkt wohl eine Dienstleistung erbringen, Abgabe entrichten o. Ä., oder der Zeitpunkt ist Hinweis auf den Geburtstag.
Als besondere Untergruppe sind hier auch die Satznamen zu nennen, die aus einem Satz bzw. Teilsatz gebildet sind, wie Schafroth '[ich] schaffe Rat' für jemanden, der gerne und oft Ratschläge erteilte oder bei dem man sich gerne Rat holte, auch Hablützel 'hab wenig' zu mhd. lützel 'wenig, nichts' oder Schaltenbrand 'schalt-den-Brand' im Sinn von 'schüre das Feuer' als Übername für einen Brandstifter oder eine Person, die gerne mit dem Feuer spielt. Zugrunde liegt eine alte Bedeutung von mhd. schalten '(nach)schieben, treiben, schüren'. Als Basis dienen somit Adjektive, Substantive oder ganze Sätze.

Variation im Vokalismus

Deutschsprachige Familiennamen sind in ihrem Vorkommen – ähnlich wie Dialekte – räumlich strukturiert, das heisst, Familiennamen können in ihrem Vorkommen areal gebunden sein. Diese landschaftliche Variation hat zwei Gründe: die Entstehungszeit des Namens und die weitere Entwicklung der FamN. Beinamen werden seit dem ausgehenden Mittelalter bis in die Neuzeit hinein gebildet. Da die deutsche Sprache in diesem Zeitraum durch landschaftlich gebundene Schreibsprachen repräsentiert wird – es gibt noch keine überregionale Varietät –, werden die Namen auch in den jeweiligen dialektal gebundenen Schreibsprachen geschrieben.
Namen machen die Entwicklungen des übrigen Wortschatzes nur bedingt mit: Anders als der Normalwortschatz wurden Namen im deutschen Sprachraum kaum vereinheitlicht bzw. normiert; sie tendieren dazu, alte Sprachformen zu bewahren. Daraus resultiert der teilweise immense Variantenreichtum an Formen von Familiennamen wie Maier, Mayer, Mayr, Meier, Meyer für den BerufsN zu mhd. meier'Gutsverwalter' oder die Formen Käser, Kaeser, Keser für den Käsehersteller.
Dieser Variantenreichtum gilt in allen Motivgruppen: Im deutschsprachigen Raum gibt es annähernd 1.000 FamN, die aus dem RufN Nikolaus entstanden sind wie Claus, Glaus, Klaas, Kläui, Klaus, Klauss, Klay, Klee, Kleeb oder Nick, Niklaus, Nikles. WohnstättenN zu mhd. bühel, büel 'Hügel' kommen als Biel, Büchel, Bücheler, Büecheler, Büel, Büeler, Bühler vor; Solothurnmann, Soltermann sind HerkunftsN zum ON Solothurn; oder Näher, Najer, Neier, Neiger, Neyer als Varianten des BerufsN mhd. næjer 'Näher'. Der Variantenreichtum hat verschiedene Gründe: Meier und Maierreflektieren sprachgeographische Verhältnisse; Käser, Kaesersind lediglich Schreibvarianten für denselben Umlaut.

Familiennamen, die in ihrer Form einen schwachen Genitiv zeigen und aus einer Formulierung *des Grossen Sohn > Grossen entstanden sind. Diese Namensbildung ist insbesondere im Wallis und Berner Oberland sehr häufig.

Variation bei der Form von Namen kann Lautveränderungengeschuldet sein, die auch graphisch unterschieden werden. In der Schweiz wird mhd. î im Hiatus wie in mhd. snîen im Norden (dial. schneie), im Süden bleibt es erhalten (dial. schniie). In Familiennamen tritt dieses Phänomen ebenfalls auf: mit Hiatusdiphthongierung von mhd. bûen 'bauen' resp. mhd. wîer 'Weiher' in Baumann, Weyer und ohne in Bumann, Wyer. Andere lautlich bedingte Varianten sind Rundung von mhd. i in Würth (SG) neben Wirth; die Senkung von mhd. i > e in Lindenmann und Lendenmann(AR).
Der Variantenreichtum kann auch aufgrund verschiedener Wörter für einen Beruf oder eine Sache entstehen und somit lexikalisch motiviert sein. Für den Kirchendiener gibt es verschiedene Wörter, die in Schweizer Familiennamen eingegangen sind: mhd. messenære in Messmer, Mesmer; mhd. kuster in Kuster, Koster und mhd. sigriste in Siegrist, Siegerist, Sigerist, Sigrist.
Die Variation kann auch morphologisch bedingt sein. So können Namen in einer unflektierten Form Roth, Schwarzaber auch in einer flektierten Form Rothen, Schwarzenauftreten. Die Endung -en geht auf einen schwachen Genitiv zurück und ist als *des Rothen / Schwarzen Sohn zu interpretieren. Dieser formale Typ tritt nur bei den sekundären RufN auf. Viele der Suffixe sind bereits in den Appellativen bzw. Namen vorhanden, die später zu FamN werden, wie bspw. -er für Nomina agentis in Binder(Fassbinder), -i als Diminutiv in Vaternamen wie Rüedi(zum RufN Ruodolf) oder Kuoni (zum RufN Kuonrad) auch -ing+er als Bestandteil des Ortsnamens in HerkunftsN wie Hedinger (zum ON Hedingen), Utzinger (zum ON Utzingen).