Abkürzungen

Bereits die Römer kürzen Vornamen, Zeitangaben in Kalendern und zahlreiche Begriffe des Staats- und Rechtswesens. Die teilweise variablen und mehrdeutigen Kürzungen bergen erhebliche Unsicherheiten bezüglich des Wortlautes. Das hat zur Folge, dass für offizielle Abschriften des Codex Theodosianus verboten wird, «notae iuris» zu verwenden. Weitergehende Verbote für Gesetzesbücher verfügt Kaiser Justinian.

Auch im Mittelalter gibt es kein einheitliches System für Abkürzungen. Die Kürzungszeichen sind vielfältig und regional verschieden. Für das Lesen handschriftlicher Texte ist es deshalb unerlässlich, die wichtigsten Methoden und häufigsten Formen der Kürzungen zu kennen.

Vorbild für die mittelalterliche Kürzungspraxis sind die in der römischen Antike entwickelten Kürzungskonventionen.

Das gebräuchlichste Nachschlagewerk für lateinische Kürzungen ist der Cappelli. In den deutschen Texten sind Abkürzungen nicht so zahlreich und wesentlich einfacher aufzulösen.

Der Cappelli, das Standardwerk zur Auflösung von lateinischen Abkürzungen.

Bei den hoch- und spätmittelalterlichen Abkürzungen unterscheidet man zwischen Silbenkürzungen, Suspensionen, Kontraktionen und Kürzungen durch besondere Zeichen. Silbenkürzungen sind gekennzeichnet durch Weglassung von Buchstaben, die meist durch hochgestellte Buchstaben oder besondere Zeichen angezeigt sind. Suspensionen sind gekennzeichnet durch Weglassung von Buchstaben am Wortende. Sie sind meist mit einem Punkt versehen. Beispiele: R.P. für res publica, q. für que, DAT. für datum. Sie sind auch heute noch geläufig: UNO, WWW, Prof., lic. phil. Durch Verdoppelung des letzten Buchstaben wird die Mehrzahl angezeigt: IMPP. für imperatores. Auch diese Konvention ist noch in Gebrauch: Jbb. für Jahrbücher.Kontraktionen sind gekennzeichnet durch Weglassung von Buchstaben im Wortinnern. Im Lateinischen ist dadurch die Endung leichter zu erkennen. Beispiele: DS, DI, DO für Deus, Dei, Deo; DNS für dominus, ECCLIA für ecclesia. Auch hierfür gibt es zeitgenössische Beispiele: Bd., Dr.

genommen (Nasalstrich)

wissen (Nasalstrich)

und (Kürzung am Wortende)
Das häufigste Kürzungszeichen ist der Nasalstrich. Ein waagrechter Strich über einem Buchstaben zeigt an, dass ein m oder n zu ergänzen ist. Er kann aber auch zu e aufgelöst werden. In kursiven Schriften ist er oft an den letzten Buchstaben angebunden. Ein waagrechter Strich kann auch für Kürzungen am Wortende stehen.

oder (er-Kürzung)

herren (re-Kürzung)

korn (r-Kürzung)

Sehr häufig ist auch die er-Kürzung, die durch einen hochgestellten Haken angezeigt wird. Das Kürzungszeichen kann aber auch für re, ir, ri, einfaches r oder zu ergänzendes e stehen.

Fürstliche Gnaden (Suspension)

entpfangen (Kürzung am Wortende)

daz (standardis. Kürzung)

Häufig werden Kürzungen durch Suspension gebildet und gängige Kürzungszeichen für Vor-, Nach- und Endsilben verwendet. Üblich sind in deutschen Texten die Kürzungen dc, wc oder dz, wz, für daz und waz.

schilling (standardis. Kürzung)

mütt (standardis. Kürzung)

batzen (standardis. Kürzung)

Kürzungen häufig verwendeter Wörter und Wortgruppen werden von den einzelnen Schreibern individuell gehandhabt. Im Geschäftsschriftgut sind vor allem die gebräuchlichen Münz-, Mass- und Gewichtseinheiten von Bedeutung.