Dicta Pirmini

Dicta Pirmini – Ergebnis 1

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Stiftsbibliothek Einsiedeln, Ms. 199 (638), S. 461 (Ausschnitt).

Charakteristische Buchstaben sind:

das cc-a und t mit zur Grundlinie umgebogenem Deckbalken
g mit offenen Bögen
r mit erhöhtem Schulterstrich (neben normalem kleinen r)

Die Transkription lautet:

FRATRES karissimi, spiritus sanctus per prophetas, sacerdotes et le-
vitas et omnes doctores aeclesiae catholice admo-
net dicens: «Clama, ne cessis! Quasi tuba exalta
vocem tuam et adnuntia populo meo peccata eorum!»
Et iterum: «Si non adnunciaveris iniquo iniquitatem
suam, ipse in peccatis suis morietur. Sanguinem
eius de manu tua requiram.»
Übersetzung:

Geliebte Brüder, der heilige Geist mahnt durch die Propheten, Priester und Leviten und alle Lehrer der katholischen Kirche und spricht: «Rufe, höre nicht auf! Wie eine Trompete erhebe deine Stimme und verkünde meinem Volk seine Sünden!» (Isaias 58,1) Und weiter: «Wenn du einem Ungerechten seine Ungerechtigkeit nicht kundtust, wird er in seinen Sünden sterben. Sein Blut werde ich von Deiner Hand einfordern.» (nach Ezechiel 3,18-20)

Die Minuskelschrift aus Rätien zeichnet sich durch ein breites Schriftbild und kräftige Oberlängen von b, d, h und l aus. Die Buchstaben sind meist isoliert geschrieben, lediglich e und r häufiger mit einem folgenden Buchstaben in Ligaturen verbunden (ec, em, er, et, ex; ri, ro).

Bei den Abkürzungszeichen wird hier unterschieden zwischen dem waagerechten Strich für Kontraktionen und Suspensionen und der senkrechten, geschwungenen Linie für nach Vokal zu ergänzendes m (letzte Zeile: requiram).