Thuner Missivenbestand, Chirograph
Die Transkription lautet:
Item hâr inn ist ouch berech wor-
den und habend dem benempten Fugellin die frundschafft getan, wenne er oder
sin erben mit zwentzig guldinen houptguotes und mit eim guldin zinses komen, so
sullen und wellen wir die nemen und sol ime an dem houptguote so vil und
an dem zinse ein guldin abgan und bezalt sin. Und zuo warheit haben wir ein
beyelen uss enandren geschnitten von einer hand geschriben. Geben uff Sunnentag nechst
nach sant Gallen tag in dem iare, do man zalte von Cristi geburte thusend vier-
hundert funffzig und nun iare.
Der Ausdruck «Chirograph» ist im deutschen Sprachraum wenig geläufig. Im vorliegenden Dokument ist stellvertretend die Rede von einem «[...] beyelen uss enandren geschnitten von einer hand». Von dem Begriff «Beyelen» lässt sich für den schweizerischen Sprachraum der Begriff «Beilbrief» ableiten, welcher im Hochdeutschen eher als Kerbbrief bekannt sein dürfte.
Eine Frage bleibt bis heute ungeklärt, nämlich wieso Dokumente dieser Art im Thuner Missivenbestand zu finden sind. Nebst der gewohnten Anweisung des Berner Rats an dessen lokalen Landvogt in Thun, enthält der Thuner Missivenbestand auch mehrere atypische Dokumente wie diese Urkunde oder Diätpläne und Briefe aus dem Privatarchiv des Landvogts Peter Schopfer. Der Thuner Missivenbestand gibt in dieser Hinsicht also nicht nur einen eindrücklichen Einblick in das Beziehungshandeln der Stadt Thun, er dürfte auch Forschungsfragen zur Schriftgutaufbewahrung und zum Entstehungszusammenhang solcher Missivenbestände, aufwerfen.