Thuner Missivenbestand, Chirograph
Im historischen Burgerarchiv der Stadt Thun befinden sich acht Bände mit rund 2500 kurzen Schreiben aus dem Zeitraum 1380-1500. Sie enthalten hauptsächlich Anweisungen des Berner Rats an dessen lokalen Landvogt in Thun. Dabei vermitteln diese so genannten Missiven einen einzigartigen Einblick in das kleinstädtische Beziehungshandeln zwischen Bauern und Handwerkern, zwischen Handelspartnern sowie in Haushalt und Familie. Zugleich wird hier aber auch die lokale Ebene der Herrschaftsverwaltung fassbar, über die noch wenig bekannt ist.
Beim vorliegenden Beispiel handelt es sich um ein sogenanntes Chirograph. Diese besondere Art von Vertragsurkunde wurde in erster Linie nicht durch Zeugen beglaubigt, wie bei einer typischen Urkunde, sondern durch deren Zweiteilung und Aushändigung an beide Vertragspartner.
Der obere Rand des Dokuments weist dabei eine Zähnung auf, welche den Trennungsschnitt der Doppelurkunde veranschaulicht. Der Schnitt führt exakt durch die Namen der beiden Kontrahenten, so dass für die Beweisführung die beiden Hälften zusammen geführt und auf deren Passgenauigkeit geprüft werden konnten.